Mal was Neues: Sportlich anders unterwegs. Im Januar 2018 bin ich über eine Veranstaltung mit dem Namen Megamarsch gestolpert und habe einen guten Freund angetriggert, ob wir verrückt sein wollen. Ja, wollten wir. Und so war die Anmeldung für einen 100km-Marsch in unter 24h schnell getätigt. Am 13.10.2018 war es nun soweit und wir sind zum Startpunkt gefahren, um mit Rucksack, Klamotten- und Schuhausstattung für 24 Stunden bewaffnet die Registrierung in Eschborn Süd durchzuführen. Es gab ein kleines Armbändchen, welches uns als Megamarscher auswies.
Um 16:15 Uhr ging es für uns auf die Reise nach Langen... einmal rund um Frankfurt. Angekommen sind wir nicht, aber dazu später mehr.
Die ersten Kilometer, ja, die ersten Stunden waren wirklich sehr angenehm. Man hat das Gehen mit Reden verbracht, sich soweit möglich, die Gegend angesehen, neue Sichtweise auf die Skyline von Frankfurt genossen und nicht schlecht gestaunt, wieviele Leute auf die gleiche Reise gegangen sind: 1700 laut Veranstalterseite. So zog sich kilometerweise eine Menschenmenge durch die Gegend. Gerade anfangs musste man doch häufig darauf aufpassen, dass man nicht auf Stöcke oder Füße trat. Das hat sich aber mit der Zeit immer mehr und mehr reduziert, weil sich die Schlange auseinanderzog.
Wir waren mit guten 5,5km/h nicht schlecht unterwegs. Haben nach 2 Stunden eine kurze Pause eingelegt, sind dann die nächsten knappen 2 Stunden nochmals durchgegangen bis zur ersten Verpflegungsstation. Dort staunten wir nicht schlecht und es gab den ersten Dämpfer. Laut Veranstalterseite war es verpflichtend, sich für die erste Etappe selbst zu versorgen, ab dann würde man sich aber an den Verpflegungspunkten verpflegen können. Sicher, wer dort ein Festtagsmenü erwartet, ist definitiv falsch bei solchen Veranstaltungen. Allerdings etwas mehr als leere Gurkengläser, bereits halb leere Behälter süßer Müsliriegel, Äpfel und Bananen hätte man dann doch erwartet. Zumal wir mit einer Gehzeit für die ersten 21,5km von unter 4 Stunden sicherlich nicht zu den langsamen zählten. Die Organisation bzw. der Aufbau der Station war indiskutabel. Die Wasserversorgung war ganz hinten, man musste sich durch die Menschenmassen, die es an dieser Station noch gab, hindurchquetschen. Die Karte, die man benötigte, um später nachweisen zu können, dass man die Stationen eben angelaufen hatte und nicht seine eigene Wanderroute ausgesucht hatte, waren irgendwo in der Mitte zu finden. Sitzgelegenheiten waren überschaubar und belegt. Gut, es kamen Stimmen von den Mitstreitern, dass es Brötchen beispielsweise erst ab Station 2 bekäme. Damit konnte man bzw. ich zu der Zeit ganz gut leben, da wir ja für die erste Etappe gut versorgt losgegangen waren.
Nach einer Pause von ca. 20-30 Minuten haben wir uns auf die zweite Etappe gemacht. Es war zwischenzeitlich dunkel geworden. Die Stirnlampen kamen zum Einsatz. Wir haben uns noch einige Zeit weiter unterhalten und zwischenzeitlich hat jeder seinen Gedanken nachgehangen. Es hatte etwas meditatives, durch die Nacht zu wandern. Die Strecke war nicht spannend, zu 96% aus Radwegen aus Asphalt bestehend, aber verlaufen konnte man sich quasi nicht, da die Strecke einem offiziellen Wanderweg, dem Regionalpark RheinMain, entlang führte. Damit hatte der Veranstalter bis auf ein paar wenigen Markierungen auf dem Weg keine Arbeit damit, die Strecke auszuschildern. Nach 2 Stunden haben wir wieder eine kurze Pause eingelegt. Zu der Zeit gab es den Tiefpunkt. Müdigkeit lag in der Luft, das Bett lockte. Und so marschierten wir stumpf vor uns hin. Ein wenig wie im Tunnel. Hin und wieder Gespräche. Miteinander. Um uns herum. Einige Personen liefern mit Musik, einige dezent, andere nervtötend. Nach ca. 3 Stunden (7 Stunden Marschzeit insgesamt) fing mein Kreislauf an, auf Abwegen unterwegs zu sein. Grund: zu wenig getrunken. Also selbstverschuldet. Ist so, kann sein, kann man Abhilfe schaffen. Jedenfalls hab ich gut durchgehalten, bis wir bei der zweiten Verpflegungsstation angekommen sind. Dann hat er sich kurzzeitig mal überlegt, ich könne doch ohne ihn weitermachen. Da ich das aber zum Glück recht zuverlässig merke, habe ich mich einfach einige Zeit hingesetzt und hingelegt.
Die Versorgung an dieser Station war ebenso mäßig wie bei der ersten. Es gab "Heißgetränke"... zwei Warmhaltegefäße mit lauwarmen Wasser. Gefühlt noch für 600 Personen, die gleichzeitig etwas zu trinken wollten. 2 Räumen mit Toiletten für die gleiche Masse an Menschen. Ein überschaubarer Raum, in dem man sich aufheizen könnte, wenn es notwendig gewesen wäre. Zum Glück hatten wir allerdings tagsüber ca. 24°C und nachts vermutlich so um die 11°C. Also von den Bedingungen her schon sehr gut. Salzige Nahrung gab es überschaubar. Zum Glück war mein Kollege frühzeitig die Runde gegangen und hat einmal Verpflegung für sich organisiert. D.h. 1 Bananen, 2 Müsliriegel, 1 Apfel, 1 Kaffee (Instantkaffee), 1x Salzgebäck. Nachdem mein Kreislauf sich wieder gefangen hat, bin ich auch rum, um für mich eine Grundversorgung hinzubekommen und meinen Kreislauf wieder auf Vordermann zu bekommen, denn schließlich wollten wir hier nicht stranden und das Abenteuer beenden. Das war ca. 15 Minuten später als die erste Verpflegungsrunde meines Kollegen. Zu der Zeit gab es keine salzhaltige Nahrung mehr. Nur noch Russisch Brot mit süßer Himbeerglasur. Keine Brötchen (es hat wohl Milchbrötchen geben sollen, habe ich hinterher in einigen Kommentaren in diversen sozialen Medien gelesen), kein Salzgebäck, kein wirklich heißes Wasser, keine Salami (Bifi bspw.) oder ähnliches. Wie gesagt, wer ein Luxusmenü erwartet, ist sicherlich falsch, aber eine Grundversorgung, die auch dann noch da ist, wenn die langsamsten an der Station ankommen, zu denen wir in dem Tempo sicherlich nicht gezählt haben, wäre schon eine Grundvoraussetzung - wenn man es denn schon in die Ausschreibung schreibt. Es geht auch anders, dass man nur Wasser und ggf. heiße Getränke anbietet, aber dann muss man es auch so ankündigen, dann wäre es kein Problem und es würde sich sicherlich auch niemand darüber mokieren.
Ok, die Pause dort an der Station wurde dann etwas länger. Etwa 50 Minuten haben wir dort gerastet. Ich war kurz davor, eigentlich keinen Schritt mehr weitergehen zu wollen, aber das kam dann doch auch irgendwie nicht in Frage. Gut, die nächste Station wurde noch angepeilt. Meine Urkunde habe ich mir auch nicht ausstellen lassen, obwohl ich es in Betracht gezogen habe, dass ich unterwegs sehr gut auf meinen Körper hören würde und notfalls auch mittendrin aussteigen würde. Aber letztlich hat es sich dann ganz gut immer wieder eingegroovt. Die ersten Schritte waren recht schwerfällig und dann hieß es, erstmal ca eine Stunde wieder einen Schritt vor den anderen zu setzen. So war unser Plan: keine zwei Stunden mehr durchlaufen, sondern ca. eine Stunde und dann eine kurze Rast von vielleicht 10 Minuten, um einfach mal die Beine zu entlasten und etwas Verpflegung zu sich zu nehmen. Zudem musste ich aufpassen, dass ich regelmäßig trank. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mir auch das Wasser mit ISO gemischt, so dass ich ausreichend Nährstoffe zuführte.Das ging auch alles gut. Es war wieder echt einfach schön, durch die Nacht zu wandern. Der Mond war recht klein, der Weg führte weit weg von Städten, so dass man freien Blick auf den Sternenhimmel hatte. Schon schön ^^
Der Plan ging gut auf. Mal waren es 1h10-1h20 bis zur Pause, weil wir keine Bank fanden. Wir haben uns dann mitten in der Nacht einfach ins Feld gesetzt. Die andere Etappe war dann mal nur 50 Minuten. So kamen wir Stück für Stück der Versorgungsstation 3 und damit dem Ende der nächsten Etappe näher. Diese war in Kesselstadt in Hanau stationiert. Von dort waren es nur etwa 10-15km bis nach Hause ins Bett. Gegen 6 Uhr liefen wir in Hanau am Wilhelmsbad ein. Leider wusste ich nicht genau, wo die Station von der Verpflegung war. Es stellte sich dann raus, dass diese noch hinterm Schloss Philippsruhe am Main unten war. Das bedeutete noch knappe 3 km durch Hanau laufen und ca. 20 Minuten weiter Schritt für Schritt. Dass wir dort dann unsere Zielfahne setzen würde, hatten wir unterwegs beschlossen. Zum einen würde es extrem sportlich werden, dass wir das Ziel überhaupt noch in der Zielzeit von unter 24 Stunden erreichen würden. Dazu hatten wir die zweite Pause zu lange gemacht und hatten aber schon etwas Geschwindigkeit rausgenommen. Die Anfangsgeschwindigkeit hätten wir letztlich wieder fast aufnehmen müssen, und die Pausen zwischendrin minimieren. Irgendwie hätten wir es noch gepackt, wenn wir es wirklich gewollt hätten. Aber die Situation an den Verpflegungsstellen hat uns zusätzlich die Laune dazu etwas vermiest. Und die Hüfte und Oberschenkel sowie Fußsohlen meldeten sich. Bei mir die einen Körperteile, beim Kumpel die anderen Körperteile. Zusammen waren wir schon recht lädiert.
Die Verpflegungsstation 3 war wieder das gleiche Dilemma wie vorher. Immerhin konnte man vom Dreck auf dem Boden erkennen, dass es scheinbar noch etwas anderes zu trinken gab. Die "Flasche" sah ähnlich aus wie die Buttermilch-Schraubflasche. Es war wohl auch irgendwas in Richtung Joghurtdrink. Die Kommentare in den sozialen Medien hinterher haben mir auch verraten, dass es wohl doch Milchbrötchen oder etwas in der Art gegeben habe. Leider haben wir davon wieder nichts gesehen. Dafür gab es noch Reste an lauwarmem Wasser. Man konnte sich dann verpflegen mit entweder halb vergammelten Bananen oder fast noch grünen Bananen. Immerhin Äpfel gab es noch und ein Rest an Müsliriegeln. Gut, an der Verpflegung waren wir auch nur eine halbe Stunde vor Schluss von dieser. Wir durften uns dann noch anhören, dass wir doch bitte aufstehen mögen, damit die Station abgebaut werden könne. Das immerhin nach guten 60km. Auf der Uhr standen 62,8km - auf dem Plan vom Veranstalter stand, dass diese Verpflegung bei km 59,3 oder so zu finden sei. 3km plus... ist im Gehtempo schon einiges an Zeit...
Gut, eine Erfahrung war es schon. Gut war es auch, abgesehen von der Organisation. Aber es war krass, es war anstrengend. Anstrengender als eine Langdistanz im Triathlon. Als ich dann zuhause war, bin ich auch nur noch völlig fertig ins Bett gefallen. Der Körper hat dort schon deutlich rebelliert. Es war eine Mischung zwischen Glühen und Frieren. Als hätte ich Fieber. Es hat auch einige Minuten gedauert, bis sich das wieder beruhigt hatte. Nach den paar Stunden Schlaf ging es mit dem Laufen sogar erstaunlich gut. Mittags sind wir dann den Wagen abholen gefahren, den wir zuversichtlich ans Ziel gestellt hatten. Als wir dort waren, kamen sehr viele Leute ins Ziel. Schon wahnsinn. Es gab einerseits Gänsehaut, andererseits auch etwas Wehmut, dass wir doch nur die 60km auf der Urkunde stehen haben. Morgens war es aber genau die richtige Entscheidung. Da waren wir uns auch einig und auch hinterher, dass es bei den Rahmenbedingungen so gut war. Allerdings bin ich jetzt, einen Tag später, nicht mehr so ganz davon überzeugt, dass ich das nicht vielleicht doch noch mal angehe und für mich die 100km abschließe. Vermutlich aber nicht unter der Flagge Megamarsch, auch wenn ich die Hoffnung habe, dass die angebrachte Kritik und Verbesserungsvorschläge, die auf den Veranstalter einprasseln, sowie die Tatsache, dass es an anderen Orten, wo der Marsch ebenfalls stattfindet, deutlich besser zu sein scheint, die Veranstaltung in Frankfurt sehr viel besser macht in den nächsten Jahren.
In Summe haben wir 62,4km in gut 14 Stunden 30 Minuten absolviert. Die Pausenzeiten zählen in die Zeit rein. Reine Gehzeit sind etwa im Schnitt irgendwas zwischen 5,0 und 5,5km/h über die 62km.