29.09.2019 / Marathon / Berlin / 42195m
Sightseeing-Tour durch die Hauptstadt. So kann man es zusammenfassen. Es war ein Weihnachtsgeschenk, denn ich wollte diesen Lauf einfach mal gerne machen. Seit letztem Jahr gab es die Möglichkeit, sich quasi als Team zu registrieren, so dass dann entweder alle Teammitglieder starten können oder keiner. In Berlin gibt es ein Losverfahren, d.h. man kann sich nicht direkt anmelden, man muss sich bewerben. Erst wenn man ausgewählt wird, kann man sich anmelden. Und ich hatte Glück und wurde ausgelost. Es war zwar zugleich eine irrwitzige Idee, weil derjenige, dem ich den Startplatz geschenkt habe, war zu dem Zeitpunkt noch keinen Marathon gelaufen, hatte aber die Anmeldung für seinen ersten selbstständig getätigt, so dass ich beruhigt war.
Da es zum einen sogar günstiger war und die Nerven schonen sollte und für beide entspannter sein sollte, entschieden wir uns weit im Voraus, mit der Bahn die Anreise nach Berlin anzutreten. In Berlin will ich definitiv nicht Auto fahren, parken wird man da vermutlich so schlecht können wie in jeder Großstadt und wenn, dann nur teuer. Also waren die Bahntickets früh im Jahr gebucht. Freitags abends ging es los. Nach der Arbeit schnell noch die restlichen Dinge zusammenpacken und den Marsch in Richtung Bahnhof antreten. Der Zug hatte Verspätung. Es war vorher schon in der Presse, dass es in Frankfurt eine Oberleitungsstörung gäbe und es daher zu Verspätungen kommen würde. Dass es sich dabei um ein Nadelöhr in Frankfurt handele und der Bahnverkehr leicht lahmgelegt war, merkten wir erst später. Der Zug kam schließlich und sollte uns nach Frankfurt bringen, wo wir in den ICE gen Osten umsteigen mussten. Da wir in FFM ausreichend Puffer hatten, war alles noch im grünen Bereich. Als wir in Langen zum Stehen kamen und der Zugführer scheinbar auch keine näheren Informationen hatte außer, dass sich die Weiterfahrt verzögere, verbrachten wir eben erst einmal dort einige Zeit, bis dann bekannt wurde, dass dieser Zug gar nicht nach FFM weiterführe. Ok, also anderen Weg suchen nach FFM. Zu dem Zeitpunkt hätten wir noch Glück haben können, dass wir unseren ICE bekämen. So ging die Fahrt erst einmal mit S-Bahn nach FFM. Unterwegs der Versuch herauszufinden, was los sei. In FFM dann die Überraschung: Unser Zug stand noch dort. Auf die Verspätung der Bahn ist sogar dann Verlass, wenn man sie braucht. Kurzum: wir erreichten den ICE Richtung Berlin und fuhren mit 70min Verspätung los, kamen ca. 1,5km weit und standen dann wieder für gut 20min. Irgendwann, so 1,5 Stunden nachdem wir dort mit der S-Bahn bereits durchgefahren waren, waren wir wieder am Südkreuz, nur dass der Zug dort dieses Mal nicht hielt, sonst hätten wir uns die ganze Tour durch Frankfurt sparen können. Als wir dann endlich den Großraum Frankfurt passiert hatten, ging es immerhin voran und der Zug fuhr. Mit 2 Stunden Verspätung kamen wir am Ziel des Abends an... es war immerhin schon nach Mitternacht. Dankenswerterweise hatten wir ein Privattaxi vom Bahnhof, denn zu dieser Zeit fahren selbst in der Großstadt nicht mehr im Minutentakt die S-Bahnen, so dass es sonst auch noch mal eine Tour von 1 Stunde bis zur Unterkunft bedeutet hätte.
Die letzte Etappe nach Berlin am nachfolgenden Tag hat hingegen erstaunlich gut geklappt. Störungsfrei und pünktlich. Wie viele andere schlugen wir dann erst einmal den Weg ein in Richtung Messe und Startunterlagenausgabe. Dieses wollte schließlich erledigt sein, um beruhigt die Abendgestaltung und das Aufsuchen der Unterkunft anzugehen. So schlenderten wir auch einmal entlang des Rollfeldes und begutachteten die Stände der Aussteller, in Gedanken daran, was man noch sinnvollerweise oder sinnloserweise gebrauchen könne. Ich wurde sogar fündig und besorgte mir noch einen Gürtel für's Laufen mit dehnbarer Tasche. Gedacht für die warmen Tage, wenn man nur mit Shirt unterwegs war und keine weitere Jackentasche oder so für das Gelump benötigt, was man natürlich immer mitschleppen muss. Nach gut zwei Stunden war hier aber auch alles gesehen und so machten wir uns mit schweren Schultern von den Rucksäcken auf in Richtung Hauptbahnhof, wo wir die Afterrace-Klamotten einschlossen. Der Berlin-Marathon hat nämlich nur die Option, entweder einen Afterrace-Beutel zu deponieren oder einen Poncho zu buchen, den man sich im Ziel überziehen konnte. Aber eine Und-Option gab es nicht. Da ich die Poncho-Option gebucht hatte, hätten wir mit den nassgeschwitzten Klamotten durch halb Berlin fahren müssen zu Unterkunft. Also überlegten wir uns eine brauchbare Alternative, um wenigstens warm stinkend zur Dusche fahren zu können. Im Hotel angekommen, gab es noch eine weitere Überraschung, die wir aber letztlich mit Humor nehmen konnten. Die Betten bestanden aus einer gefühlt 10cm dicken Schaumstoffschicht und als "Lattenrost" ein Spanplatte. :) Wahrlich nicht die besten Vorbereitung auf einen Marathon, aber gut, danach waren wir müde genug, um trotzdem schlafen zu können. Am Abend ging es sporty-like zum Dönermann mitsamt Pils. Lecker war's und mehr als gesättigt waren wir natürlich auch.
Am Sonntagmorgen klingelte der Wecker gar nicht allzu früh, da wir nur eine halbe Stunde ca. zum Start fahren müssten und eigentlich alles erledigt hatten. Im Frühstücksraum trafen wir noch einige der Mitläufer, die auch in diesem Hotel untergekommen waren. Gegen 9 Uhr trafen wir im Start-/Zielbereich ein und checkten in den Bereich ein. Wir hatten noch ausreichend Zeit und schauten uns in der Umgebung um, so dass wir den Bereich, den wir als Treffzone auserkoren hatten, inspizieren konnten. Schließlich würden wir sowohl in unterschiedlicher Startgruppe starten als auch definitiv unterschiedlich schnell unterwegs sein. So hatten wir einen Zeitraum ausgemacht, wielange wir uns dort aufhalten würden bevor es zu den warmen Klamotten ging. Vorweg genommen: hat perfekt geklappt... und das bei 47.000 Läufern. Leider stellten wir uns hinterher an den erstbesten Dixis an, weil nicht wirklich eindeutig war, dass entlang der Startaufstellung noch jede Menge ungenutzter Dixis herumstanden. Das führte dann dazu, dass zum Start hin alles etwas enger wurde. Aber auch das hatten wir irgendwann geschafft und machten uns im Eilschritt auf in Richtung Start.
Zuvor hatte es bereits leicht angefangen zu nieseln, was aber beim Start schon wieder aufgehört hatte. Erst nach Überqueren der Startlinie wurde klar, was es eigentlich bedeutet, 47.000 Läufer durch die Straßen Berlins zu schieben. Jedoch muss ich sagen, die Straßen waren breit genug und die Startergruppen weit genug auseinandergezogen, so dass ich bereits zu Beginn gut in meinen Rhythmus und mein Tempo finden konnte, ohne dass ich Slalom laufen musste. Ich musste dennoch für die nächsten 42km höllisch aufpassen, dass ich niemanden umrenne, auf Fersen trete oder umgerannt werde. Ich zog schnell wieder die Variante vor, einfach ziemlich einer geraden Linie zu folgen - meistens war ich sogar im Bereich der blauen Linie unterwegs - und keinesfalls spontane Schlenker einzubauen, denn das konnte schnell in Stumpen oder Hakentreten enden. Leider taten es ein paar der Mitläufer und so kam es hin und wieder doch zum unfreiwilligen Körperkontakt mit Ellenbogenremplern oder anderem. Er kam aber keiner zu Schaden.
Die Kilometer zogen so dahin. Gerade am Anfang war es schon noch toll, sich so im Laufschritt die Stadt anzusehen, da die Strecke ja quasi an allen Sehenswürdigkeiten vorbeiführte. Nach gar nicht so langer Zeit fing es an zu regnen. Allerdings wünschte ich mir das durchaus, denn für einen Lauf bei den Temperaturen war ich eigentlich schon fast zu warm angezogen, denn so prinzipiell war ich auf Regen oder Wind eingestellt, wie es angekündigt war. Die nächste Stunde regnete es so vor sich hin, gar nicht mal so schwach, aber durch das Cap bekam ich davon eigentlich sogar recht wenig mit. Es war angenehm und im Gesicht spürte ich keinen Regen, so dass ich sogar an allen Verpflegungsstellen einen Becherinhalt auf Hände und Gesicht verteilte. Nachdem die ersten Verpflegungsstellen vorbeigezogen waren, begab ich mich wieder in den schon bewährten Modus: Verpflegungsstelle Wasser schnappen, hinter die Verpflegungsstelle laufen, dort gehend verpflegen und weiter. Es war schon ab und an ein nervenaufreibender Moment, wenn die Läufer an die erstbeste Station liefen, sich einen Becher schnappten und dann in einem Abstand an der Station vorbeigingen, so dass keiner mehr rechts dran vorbeilaufen konnte und sie auch denen im Weg waren, die weiter hinten erst Getränke schnappen wollten. Ich verstehe es manchmal echt nicht. Aber gut, ich bin heil rausgekommen, es gab nur einmal einen etwas heftigeren Zusammenstoß, aber alle sind wohlauf.
Auf der zweiten Hälfte fing es an, unattraktiver zu werden. Die Straße war durch die Regenstunde gut feucht, es haben sich einige Pfützen angesammelt, auf die man aufpassen musste, um nicht von sich selbst oder den Nebenläufern durchnässt zu werden. Es galt die Devise: nicht zu viel ausweichen, um nicht komplett Slalom laufen zu müssen und aus dem Tritt zu kommen, aber auch nicht mitten durch die Pfützen durch, denn so angenehm ist es auch nicht, mit komplett durchnässten Schuhen zu laufen. Das und auch nach 30, 35 oder 40km noch höllisch aufpassen zu müssen, dass ich langsamere Läufer und Geher nicht umrenne, haben mich mit der Zeit mehr und mehr gestresst. Zwischendurch hätte ich mir dann doch einfach mal Ruhe und leere Straßen bzw. nicht soooo viele Menschen um mich herum gewünscht. Durch so viel Aufpassen es dann auch leider etwas auf der Strecke geblieben, sich die Umgebung anzuschauen, da der Fokus häufig auf der Straße war. Schade war's.
Kurz vor dem Ziel, ca. 1,5-2km ging es zurück auf die Straße des 17. Juni, wo auch der Start war. Und hier wieder einzubiegen mit fast freiem Blick auf das Brandenburger Tor in seiner vollen Größe hat die Emotionen etwas überschwappen lassen, so dass mir kurzzeitig wieder eine Mischung aus Tränen und Freude im Gesicht stand. Mit einem Lächeln im Gesicht konnte ich die paar hundert Meter zum Tor vollends genießen, hatte Platz um mich und ließ einfach alles mal auf mich einwirken. Kurz danach wäre es sowieso alles geschafft. Und auch dieses Gefühl machte sich wieder in mir breit. Nachdem die Saison jetzt nicht ganz so erfolgreich war, zumindest was Wettkampfzeiten anging, habe ich hier zwar keine neue Bestzeit aufgestellt, aber meine Zeiten der letzten beiden Marathons vollends bestätigt. Es beruhigt oder es macht stolz, es macht sich eine Zufriedenheit breit und lässt einen den Moment genießen... Wieder etwas geschafft... auch wenn es nur ein erfolgreiches Finish ist. Natürlich kann man sich dann die Frage stellen: hat es mich weitergebracht, hat es zum Sinn des Lebens beigetragen.... man kann sich aber auch einfach an dem Moment erfreuen und diesen in sich und seiner Geschichte als Step verbuchen.